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Lebenslichter

Samstag, 2. März 2013 ♥ 4 Tintentropfen


Hallo, ihr Lieben. Heute habe ich wieder eine Geschichte für euch, die ich für einen Schreibwettbewerb geschrieben habe. Ich würde mich über Feedback und Verbesserungsvorschläge riesig freuen. Viel Spaß beim Lesen!                               Erstes Bild / Zweites Bild

Die Legenden und Geschichten, die man sich erzählte, waren also tatsächlich war. Ich glaubte nicht an Gerüchte, bevor sie mir nicht bewiesen wurden. Deshalb überraschte es mich umso mehr, als ich meine Schwester an jenem Sommerabend zusammengekauert im Wald fand.
Aber ich will von vorne beginnen, sonst verwirrt dich mein zusammenhangloses Gerede noch:
 
Es geschah im Juni, dem Monat, nach dem ich benannt worden war.
»June«, hörte ich die Stimme meiner Mutter in meinem Kopf und fühlte ihre Hand auf meinem Haar. Warum behauptete jeder, er hätte keine Erinnerungen an seine Kindheit? Ich war damals elf und dachte nicht einmal darüber nach, dass die Welt ihr böses Gesicht nur hinter einer Maske aus hübschen Feldern, Blüten und Sonnenschein versteckte. Denn genau so war es.
Juni. Das hieß nicht nur, dass mein Lieblingsmonat angebrochen war. Das große, bunte Volksfest war das Wunderland jedes Kindes in der Stadt und die beliebteste Attraktion im ganzen Jahr. Die Menschenmassen strömten auf den großen Platz, froh, dass in ihrem langweiligen Leben endlich etwas passierte. Mitten unter ihnen, ich, mit meiner zappelnden Schwester an der Hand. Sie klammerte sich daran fest, wie an einem Rettungring, was ich bei ihrer Größe sehr gut nachvollziehen konnte. Wie eine gigantische Welle schwappten die Bewohner des Städtchens herbei und drohten, alles unter sich zu begraben, das nicht in der Lage war, sich über Wasser zu halten. Lautes Stimmengewirr und Lachen umgab das Fest, vermischt mit den Klängen der Volksmusik und der Gerüchen von Bratwürsten, Popcorn und Crêpes.
»Lass uns zum Riesenrad gehen! Bitte, June!«, quengelte eine hohe Stimme hinter mir. Ich drehte mich um, lachte meine Schwester an und rief: »Was meinst du, wohin ich gerade unterwegs gewesen bin?« Zufrieden hopste sie hinter mir her, ließ meine Hand jedoch um keinen Preis los.
Wir pflügten uns durch die Menge, bis wir endlich an dem bunten, blinkendem Rad angekommen waren und uns in die Schlange einreihten. Tickets hatten wir noch vom letzten Jahr, weil meine Schwester damals schon verrückt nach dem Volksfest gewesen war und mich solange bearbeitet hatte, bis ich ihr ein kleines Büchlein voll Eintrittskarten für das Riesenrad gekauft hatte.
Wir drehten Runde um Runde und sie beugte sich über das Geländer, jubelte, streckte die Hände in die Höhe, weil sie meinte, sie könne die Wolken berühren und sie verputzen wie Zuckerwatte, und genoss die Tatsache, hoch über die Köpfe der Erwachsenen zu ragen.
Als sie endlich genug hatte, machten wir uns auf den Rückweg. Da ihr Versuch, mit den Fingern durch die Wolken zu streifen, scheiterte, kaufte ich ihr eine große Zuckerwatte, die nach einiger Zeit ihr ganzes Gesicht verklebte. Ich grinste sie an, wuschelte ihr durch die Haare und hatte daraufhin ebenfalls klebrige Hände. Nun war sie es, die am Grinsen war.
»Lass uns noch kurz zur Blumenwiese gehen! Wir können Mum einen Strauß basteln und ihn ihr mitbringen. Sicher wird sie sich freuen!«, sagte sie. »Das ist eine gute Idee, Lizzy«, antwortete ich und gemeinsam stürmten wir davon, ließen den Jahrmarkt hinter uns und wechselten auf einen Feldweg, den niemand außer uns benutzte. Zu zweit rannten wir über die Wiese, tollten herum und machten schließlich einen Wettbewerb daraus, wer die schönsten Blumen fand. Als ich mich umdrehte, um ihr zuzurufen, dass es bald dunkel werden würde und wir nach Hause mussten, entdeckte ich sie nicht. »Lizzy, jetzt ist wirklich nicht die Zeit zum Verstecken spielen«, rief ich. Es tat sich nichts. Ich hörte weder ein unterdrücktes Kichern, noch zitterten an einer Stelle die Grashalme verdächtig. Ich versuchte es nocheinmal, dieses mal lauter: »Lizzy! Das ist nicht lustig. Komm sofort raus! Mum wird sich Sorgen machen, wenn wir nicht rechtzeitig auftauchen!« Zwar war es alles andere als still, denn ich hörte immer noch die Musik des Jahrmarktes, aber dennoch kam ich mir vor, wie am Ende der Welt. Alleine.
Sie konnte sich doch nicht in Luft aufgelöst haben! »Liz«, brüllte ich, einerseits aus Angst, andererseites hoffte ich, dass sie beim Klang ihres wirklichen Namens angelaufen kam.
Nichts. Und jetzt? Hilflos hob ich die Schultern und ließ sie wieder sinken. 
Meine kleine Schwester war verschwunden. Ich hatte nicht gut genug aufgepasst.
Voller Panik rannte ich hin und her, konnte mich nicht entscheiden, wo ich hingehen sollte. Dann drehte ich mich einmal um die eigene Achse und schaute zu dem einzigen Ort, den Liz in so kurzer Zeit hätte aufsuchen können: Den Wald der dunklen Magie.
Es war nur eine Legende, Gesprächsfetzen, die man nebenbei aufschnappte und weitererzählte, jedes mal ein bisschen verändert, um seine Zuhörer zu unterhalten. Und ich schenkte ihr keinen Glauben. Es war einfach viel zu absurd und hätte eher in ein Buch gepasst, als in die Realität.
Als ich den Wald betrat, umgab mich die plötzliche Dunkelheit wie ein Zelt. Ich war kurz davor, wieder umzudrehen, aber der Gedanke an Liz hielt mich zurück. Die Bäume standen dicht, eben so, wie man sich einen Wald, der von dunkler Magie beherrscht wurde, vorstellte. Bis sich meine Augen an die Finsternis gewöhnt hatten, war ich schon einige Meter im Stockdunkeln gelaufen. Ich musste mich anstrengen, etwas zu erkennen und aufpassen, dass mir die tief hängenden Äste nicht ins Gesicht peitschten. Trotzdem spürte ich schon kleine Kratzer auf meinen Armen, Beinen und meinem Gesicht.
Dann erblickte ich etwas, das meine Situation drastisch verändern sollte. Ein Teelicht in einem Glas stand vor mir auf dem Boden. Der Docht brannte. Ich dachte gar nicht darüber nach, wieso hier eine herrenlose Kerze stand und nahm sie einfach mit. Wie ich auf die Idee kam, sie könnte herrenlos sein, wusste ich später nicht mehr.
Meine Beine bewegten sich wie von Geisterhand vorwärts, taten nicht das, was mein Gehirn von ihnen verlangte. Nach einer halben Ewigkeit wurden die Bäume weniger und ich gelangte auf eine Lichtung, die in völlige Finsternis getaucht war, als hätte man sie in einem Eimer mit schwarzer Farbe getaucht und hier aufgestellt. Dennoch gab es zwei Lichtpunkte je am Anfang und am Ende der Wiese. Das Teelicht in meiner Hand war der erste. Und ein Tisch, etwa dreißg Meter entfernt der zweite. Schaudernd ging ich darauf zu. »Wie in der Geschichte«, schoss es mir durch den Kopf, doch ich verbannte den Gedanken in den hintersten Winkel meines Kopfes und schritt weiter auf das Ende der Lichtung zu. Eigentlich konnte man den Lichtpunkt gar nicht als Punkt bezeichnen. Denn als ich näher kam, vergrößerte sich der Schein und ich konnte Einzelheiten erkennen. Es waren Gläser mit Teelichtern, so wie ich eines in der Hand hielt. Tausende säumten den Tisch und den Tisch dahinter und den dahinter.
Mir blieb fast das Herz stehen. Liz hockte, mit dem Rücken zu mir, vor dem ersten Tisch und rührte sich nicht. Sie hatte die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt und das Gesicht in den Himmel gereckt, sodass die Schatten der Lichter tanzende Bewegungen auf ihre Wangen zauberten. Meine Schritte wurden langsamer, bis ich stehen blieb. Ich wollte sie nicht stören, was auch immer sie da tat. Doch sie hatte mich anscheinend schon gehört, denn eine Stimme sagte: »June. Tritt näher. Ich möchte dir etwas zeigen.«
War das tatsächlich meine Schwester? Sie hörte sich soviel reifer und erwachsender an. Ich tat, wie mir geheißen und stellte mich hinter sie.
»Was siehst du?«, fragte  sie mich, als wollte sie mich auf die Probe stellen. Ich fragte nicht nach, was das hier sollte, sondern antwortete: »Kerzen. Es müssen tausende sein, wenn nicht noch mehr!«
Liz nickte. »Es sind Lebenslichter, June. Wenn eine Kerze verlischt, stirbt der Mensch, für den sie bestimmt war.« Ich riss erschrocken die Augen auf. »Wie in der Legende«, dachte ich und sie schien meine Gedanken zu lesen und sprach die Worte laut aus: »Wie in der Legende.«
Ich setzte mich neben sie und starrte sie an. Was war nur aus dem kleinen Mädchen geworden, das vor ein paar Stunden noch meine Hand gehalten hatte? Mir kam es vor, als wäre sie von einer Minute auf die andere um zehn Jahre gealtert.
Sie zeigte auf die Kerze in meiner Hand. »Das ist deine Kerze.«
Ich schaute das Glas an. Wie lange würde der Docht noch brennen? Liz hob ein anderes Glas vom Boden auf und hielt es neben meines. Der Unterschied war deutlich zu erkennen: Lizzy's Flamme sah schwach aus, wenn man das von einer Flamme behaupten konnte. Sie flackerte und ein paar mal dachte ich schon, sie wäre ganz erloschen, bis wieder ein kleiner Funken daraus herorschoss. »Du siehst selbst. Ich sterbe. Die Flamme wird schwächer«, flüsterte Lizzy. Erschüttert schaute ich ihr in die Augen. »Was? Das kann doch nicht wahr sein! Du kannst doch jetzt nicht einfach sterben, nur weil eine Kerze ausgeht!«, rief ich. »Deswegen habe ich dich ja hergebracht. Das Geheimnis des Waldes muss bewahrt werden. Die Kerzen müssen behütet werden. Du musst das tun, weil ich nicht mehr kann. Die Aufgabe wird immer wieder übertragen und, glaub mir, es ist eine große Ehre, sich um die Lichter kümmern zu dürfen«, erklärte sie mir vorsichtig. Mir schossen Tränen in die Augen. »Meine kleine Lizzy«, wisperte ich ihr ins Haar, als ich sie an mich zog und in meiner Umarmung einschloss. »Ich liebe dich, weißt du?« Die Tränen strömten mir über das Gesicht, ich konnte sie nicht mehr zurückhalten.
Es dauerte lange, bis ich sie loslassen konnte.
Sie sackte zusammen und ich musste gar nicht auf das Glas, das ihr gerade aus der schlaffen Hand gefallen war, schauen, um zu wissen, was passiert war.
Ihr Licht war erloschen.

4 Kommentare

Anonym am: 3. März 2013 um 03:53

Hey Milli!
Ich bins, Saphi. :D
Deine Geschichte ist F.A.N.T.A.S.T.I.S.C.H.!
Du hast eine richtig gute Wortwahl und gute Grammatik, sodass der Text perfekt zu Lesen ist. :) Ich wollte gar nicht mehr aufhören. :D
Weißt du denn schon, ob du bei dem Wettbewerb gewonnen hast?
Eine echt geniale Geschichte! :)
Weiter so! ;)
LG
Saphi ♥

Bianca. am: 8. März 2013 um 07:30

Ich liebe die Geschichte wircklich immernoch!♥
Bin sehr stolz das du sie drauf gestellt hast.

Lg, Bianca.♥

Geschrieben von Tina am: 11. März 2013 um 12:43

Was für eine tolle Geschichte! ♥
Habe deinen Blog bei Acht Uhr gefunden. :)
Dein Design gefällt mir so unglaublich gut! Und die Posts auch. Folge dir ♥

Geschrieben von patrizia am: 29. März 2013 um 06:10

danke danke danke ♥

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